Regentag? Kirchtag! Lebensstil statt Zweckutensil

Mozarts Geburtshaus in der Salzburger Getreidegasse

Firmenportrait

Kirchtag. Der Laden in der Getreidegasse, dessen Name wie ein Volksfest anmutet, ist auch eines – und zwar für Liebhaber von besonderen Regenschirmen. Solche bilden eine in Salzburg durchaus sehr gefragte Produktgruppe, denn die Stadt ist bekannt für ihren sogenannten „Schnürlregen“, von dem man hier das ganze Jahr hindurch reichlich abbekommt. Die Zweckmäßigkeit der Schirme ist bei Andreas Kirchtag aber nur die Basis – der Salzburger Unternehmer produziert mit viel Hingabe keinen Alltagsgegenstand, sondern einen stilvollen Begleiter für nasse Tage. Obwohl schon etliche Fernsehstationen auf diese einzigartige Schirmmanufaktur in der Salzburger Altstadt aufmerksam geworden sind, betreibt Kirchtag ein auf den ersten Blick eher unscheinbares, kleines Geschäft. Man kann das als stilsicheres Understatement auffassen, denn hier lohnt es sich definitiv, einen genaueren Blick hinzuwerfen.

Dezent, aber stilvoll und unmissverständlich – dieses Schild in der Getreidegasse weist den Weg zum Geschäft der Schirmmanufaktur Kirchtag.
Dezent, aber stilvoll und unmissverständlich – dieses Schild in der Getreidegasse weist den Weg zum Geschäft der Schirmmanufaktur Kirchtag.

Verkauft wird in der Getreidegasse 22 allerlei, die Palette umfasst unter anderem auch Taschen und Reisegepäck. Doch so besonders macht das kleine Geschäft von Andreas Kirchtag vor allem ein Produkt: der Regenschirm. Diese werden seit nunmehr über 100 Jahren in der eigenen Werkstatt, die sich im Obergeschoss des Geschäftsgebäudes befindet, handgefertigt. Dort entwächst ein oftmals gering geschätztes Produkt, das viele zwischen Werbegeschenk und Billigkauf dank Treuepunkten verorten, aus dessen grauen Status. Mehrere hundert Euro zahlt die begeisterte Kundschaft für einen Regenschirm aus dem Hause Kirchtag, da ist es verständlich, dass allein funktionelle Aspekte den Kaufentscheid kaum erklären können.

Mit einem Blick in die oberen Stockwerke, wo mit viel Detailverliebtheit in aufwändigen Arbeitsschritten die exklusiven Regenschirme hergestellt werden, wird aber bald klar, wofür man hier sein Geld ausgibt. So kann der Kaufmann auch für Zweckorientierte mit sehr überzeugenden Argumenten aufwarten. Der durchgängige Stock dieser echten Holzschirme ist eine Rarität, das Resultat ist eine sonst unerreichte Robustheit. Über Dampf wird ein Ende zum Griff gegossen. Das Gestänge kommt aus England oder Italien und wird hinzugefügt, nachdem das Holz in Form gefräst und sechsfach geschliffen wurde. Die mechanischen Teile werden aus Messing gestanzt oder in Österreich aus Aluminium gefräst. Und was macht Klaviersaitendraht an einem Regenschirm? Daraus formt Kirchtag mit Hand die Federn. Schließlich werden Baumwolle, Schirmseide und Kunstfasern zum Tuch vernäht, gesäumt und sorgfältig mit dem Gestell verbunden. Nachdem die Stöcke für einige Tage in Leinöl eingelegt werden, müssen sie drei bis vier Monate lang getrocknet werden. Besonders ist auch das Finish: Statt einer Lackierung bekommen die Stöcke der Kirchtag-Regenschirme eine geschmeidige Politur aus Bienenwachs. Dem Stock wird zudem ein unverkennbares Markenzeichen verpasst: Am Ende des Griffs findet sich – exklusiv bei Regenschirmen von Kirchtag – die sogenannte „Nase“. Diese wird von Hand mit einem Reifmesser in ihre leicht birnenartige Form gebracht.

Die Salzburger Altstadt – Blick vom Kapuzinerberg

Letztlich ersteht der Kunde bei Kirchtag nicht nur einen qualitativ hochwertigen Regenschirm, dessen Griff den Händen schmeichelt, sondern damit verbunden auch ein Statement. Eines, das darüber hinaus auch wie kaum etwas sonst für Salzburg steht. Mit Regen hat man es immer wieder mal zu tun in der Mozartstadt – glücklich, wer dem vermeintlichen „Schlechtwetter“ auf eine so elegante Art begegnen kann. Das unscheinbare Geschäft inmitten der Salzburger Altstadt mit seiner einzigartigen Handwerkstradition im Hintergrund ist somit eine sehr interessante Adresse für Einheimische und Touristen. Die Kulturhochburg Salzburg hält freilich einiges an Nostalgie bereit, doch schwer findet sich ein derart gebräuchliches und lebensechtes Souvenir, das diese Kleinstadt mit Weltformat auch so treffend symbolisiert.

Erstellt 2017 im Rahmen einer Lehrveranstaltung